Das Wort zum Sabbat – Archiv
– Artikel vom 11.11.2023 –
Geben ist seliger als Nehmen
Als ich ein Teenager war, standen mein Vater und ich einmal Schlange, um Karten für den Zirkus zu kaufen. Schließlich stand nur noch eine Familie zwischen uns und dem Ticketschalter. Diese Familie hat mich sehr beeindruckt.
Es waren acht Kinder, wahrscheinlich alle jünger als 12 Jahre. An der Art, wie sie gekleidet waren, konnte man sehen, dass sie nicht viel Geld hatten, aber ihre Kleidung war ordentlich und sauber. Die Kinder waren brav und standen in Zweierreihen hinter ihren Eltern und hielten sich an den Händen. Sie plapperten aufgeregt von den Clowns, den Tieren und all den Nummern, die sie an diesem Abend sehen würden. Man merkte ihnen an, dass sie noch nie im Zirkus gewesen waren. Das würde ein Höhepunkt in ihrem Leben werden.
Vater und Mutter standen stolz wie immer an der Spitze des Rudels. Die Mutter hielt die Hand ihres Mannes und blickte zu ihm auf, als wolle sie sagen: "Du bist mein Ritter in glänzender Rüstung." Er lächelte und freute sich, seine Familie so glücklich zu sehen.
Die Kartenverkäuferin fragte den Mann, wie viele Karten er haben wolle. Stolz antwortete er: "Ich möchte acht Kinderkarten und zwei Erwachsenenkarten kaufen, damit ich mit meiner Familie in den Zirkus gehen kann." Die Kartenverkäuferin nannte den Preis. Die Frau des Mannes ließ seine Hand los, ihr Kopf senkte sich, die Lippen des Mannes begannen zu zittern. Dann lehnte er sich etwas näher und fragte: "Wie viel haben Sie gesagt?" Die Kartenverkäuferin nannte noch einmal den Preis.
Der Mann hatte nicht genug Geld. Wie sollte er sich umdrehen und seinen acht Kindern sagen, dass er nicht genug Geld hatte, um sie in den Zirkus mitzunehmen?
Als mein Vater sah, was vor sich ging, griff er in seine Tasche, zog einen Zwanziger heraus und ließ ihn auf den Boden fallen. (Wir waren selbst keineswegs reich!) Mein Vater bückte sich, hob den Zwanziger auf, klopfte dem Mann auf die Schulter und fragte: "Entschuldigen Sie, Sir, ist der Ihnen aus der Tasche gefallen?"
Der Mann verstand sofort. Er bettelte nicht um Almosen, aber er wusste die Hilfe in einer verzweifelten, herzzerreißenden und peinlichen Situation zu schätzen. Er schaute meinem Vater direkt in die Augen, nahm seine Hand in seine beiden, drückte den 20-Dollar-Schein fest an sich und sagte mit zitternden Lippen und einer Träne auf der Wange: "Danke, danke, Sir, das bedeutet mir und meiner Familie wirklich sehr viel."
Mein Vater und ich gingen zu unserem Auto zurück und fuhren nach Hause. Mit den 20 Dollar, die mein Vater dem Mann gegeben hatte, wollten wir unsere eigenen Eintrittskarten kaufen. Obwohl wir den Zirkus an diesem Abend nicht sehen konnten, fühlten wir beide eine Freude in uns, die viel größer war, als es ein Zirkusbesuch je sein könnte.
An diesem Tag lernte ich den Wert des Gebens kennen. Der Gebende ist größer als der Nehmende. Wenn ihr groß sein wollt, größer als das Leben, dann lernt zu geben. Die Liebe hat nichts mit dem zu tun, was ihr zu empfangen erwartet, sondern nur mit dem, was ihr zu geben vermögt.
Man kann nie genug betonen, wie wichtig es ist, zu geben und andere zu segnen, denn das Geben bereitet immer Freude. Lernt, jemandem Freude zu bereiten, indem ihr gebt.
— Katherine Hepburn (amerikanische Schauspielerin, viermal mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet und damit Rekord-Oscarpreisträgerin in den Schauspielerkategorien)