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Das Wort zum Sabbat – Archiv

– Artikel vom 24.10.2015 –

Der kulturelle Zusammenhang (2)

Um manche Aussagen der Bibel besser zu verstehen, kann ein Verständnis des kulturellen Zusammenhangs der damaligen Zeit hilfreich sein.

In einem fast einstündigen Gespräch mit einem Leser ging es kürzlich u. a. um diese Frage: "War Jesus in der Zeit seiner menschlichen Existenz Gott oder war er nur Gottes Sohn?"

Die Frage des Lesers impliziert, dass für Jesus in der Zeit seiner menschlichen Existenz Gottes Sohn zu sein etwas anderes sei als Gott zu sein. Außerdem offenbart die Frage des Lesers seine Unkenntnis der jüdischen Sichtweise zur Zeit Jesu, die uns in der Bibel klar übermittelt wurde.

Der Apostel Johannes berichtet uns, dass die Juden Jesus steinigen wollten, nachdem er Gott als seinen Vater bezeichnet hatte. Jesus fragte seine Landsleute, warum sie ihn steinigen wollten: "Viele gute Werke habe ich euch erzeigt vom Vater; um welches dieser Werke willen wollt ihr mich steinigen?" (Johannes 10,32).

Die Juden antworteten ihm und sprachen: "Um eines guten Werkes willen steinigen wir dich nicht, sondern um der Gotteslästerung willen, denn du bist ein Mensch und machst dich selbst zu Gott" (Vers 33).

Woran meinten die Juden zu erkennen, dass Jesus gelästert hatte? Jesus antwortet selbst auf die Frage: "Wie sagt ihr dann zu dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat: Du lästerst Gott -, weil ich sage: Ich bin Gottes Sohn?" (Vers 36).

Einige Monate zuvor hatte Jesus einen Kranken am Sabbat am Teich Betesda geheilt. Wie reagierten die Juden auf diese Heilung. "Darum verfolgten die Juden Jesus, weil er dies am Sabbat getan hatte" (Johannes 5,16).

Jesus erläuterte sein Handeln wie folgt: "Jesus aber antwortete ihnen: Mein Vater wirkt bis auf diesen Tag, und ich wirke auch" (Vers 17).

Auch in diesem Fall hatte sich Jesus klar als Gottes Sohn identifiziert. Damit steigerte sich die Wut der Juden: "Darum trachteten die Juden noch viel mehr danach, ihn zu töten, weil er nicht allein den Sabbat brach, sondern auch sagte, Gott sei sein Vater, und machte sich selbst Gott gleich" (Vers 18).

Dass Jesu Feststellung, er war der Sohn Gottes, als Gotteslästerung gesehen wurde, spiegelt sich auch in dem Verhör vor dem Sanhedrin wider:

"Und der Hohepriester sprach zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagst, ob du der Christus bist, DER SOHN GOTTES. Jesus sprach zu ihm: DU SAGST ES. Doch sage ich euch: Von nun an werdet ihr sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen auf den Wolken des Himmels. Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und sprach: ER HAT GOTT GELÄSTERT!" Matthäus 26,63-65; Hervorhebung durch mich).

Gottes Sohn zu sein und Gott zu sein waren für die Juden nicht zweierlei, sondern ein und dasselbe. An keiner Stelle widersprach Jesus seinen Landsleuten hinsichtlich ihres Verständnisses. Im Gegenteil: Jesus wusste sehr wohl, wie seine Feststellung verstanden werden würde, als er sich den Sohn Gottes nannte.

Jesus war als Sohn Gottes genau das, was seine Landsleute unter diesem Ausdruck verstanden: Immanuel, "Gott mit uns" (Matthäus 1,23).

In diesem Sinn wünsche ich allen einen gesegneten Sabbat.

In christlicher Verbundenheit

Paul Kieffer

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